Ein literarischer Spaziergang durch Aachen

Grüne Bäume vor dem Aachener Dom. Der Himmel ist blau.
Aachen bei Sonnenschein (das Foto ist von 2016)

Jedes Jahr findet der Literarische Sommer statt. In dieser Zeit gibt es in verschiedenen Städten auf deutscher und niederländischer Seite Lesungen, Gespräche, Spaziergänge, ... 2014 war ich z. B. auf einer Lesung von Sabine Kray. Die Lesung damals fand in Vaals statt, also im niederländischen Nachbarort.

Heute bin ich nach vielen Jahren wieder einmal zu einer Veranstaltung des Literarischen Sommers gegangen: zum Literarischen Spaziergang. Geführt wurde er vom Übersetzer Stefan Wieczorek und dem Autor:innen-Duo Judith und Christian Vogt, bzw. "nur" Judith Vogt.

Treffpunkt war der Büchelgarten, an dessen Stelle bis vor wenigen Jahren noch ein Parkhaus gestanden hat. Das gesamte Areal, auf dem das Parkhaus stand, ist aktuell ein Platz zum Austausch, für Veranstaltungen, Kundgebungen usw.

Vom Büchelgarten ging es zur ersten Station: dem Bahkauv. Das Bahkauv ist ein Kalb, hat aber irgendwie wenig Ähnlichkeit mit einer Baby-Kuh. Vielmehr sieht es aus wie eine Kreuzung aus Drache, Raubkatze und noch irgendwas.

Bronzefigur des Bahkauv (das Foto hab ich im Februar gemacht)

An dieser Figur hat Judith Vogt uns einen Ausschnitt aus "Ich, Hannibal" vorgelesen.

Was liegt näher, als anschließend zur Lesenden, die ganz in unmittelbarer Nähe sitzt und in aller Ruhe ihr Buch liest. Die Skulptur wurde 1985 von Wolf Ritz erschaffen. Damals wurde von der Mayerschen der Treffpunkt Taschenbuch eröffnet (heute ist dort Listmann). Während die Menschen um die Figur herumwimmeln, auf ihre Handys starren oder eilig vorbeilaufen, bleibt die Lesende an ihrem Platz, schaut in ihr Buch und scheint alles um sich herum vergessen zu haben. Ironischerweise bin ich ein paar Meter von der Stelle entfernt vor etwa 15 Jahren mal über die Bordsteinkante gestolpert, weil ich in mein Handy vertieft war.

Als nächstes ging es zum Elisenbrunnen. Zum Glück mussten wir hier kein Schwefelwasser trinken. Stattdessen hat uns Stefan Wieczorek eine Textstelle von Theodor Fontane vorgelesen, der wohl mal in Aachen war und eher wenig begeistert war von der Stadt. In dem Zusammenhang hat er uns das "Lexikon der Städtebeschimpfungen" empfohlen.

Nächste Station: das Stadttheater. Gerade ist davor eine Baustelle, aber heute wurde dort zumindest nicht gearbeitet. Passend zum Theater wurde uns aus Maria Wallisfurths Buch "Lautlose Welt. das Leben meiner gehörlosen Mutter" vorgelesen. Am Stadttheater war sie unter anderem als Souffleuse tätig.

Vom Stadttheater ging es weiter in ein Kloster, nämlich zu den Armen Schwestern des heiligen Franziskus. Dort tauchten wir ein in eine Ruheoase mitten in der Stadt. In der Mitte des Gartens steht ein Apfelbaum, um den Stamm herum ist eine Bank. Ein paar herabgefallene Äpfel liegen auf einem der Sitze. um uns herum sind duftende Rosen. Eine Amsel sitzt wie im Gebet auf einer anderen Bank. Ich hätte da eine Weile verbringen können.

In diesem Klostergarten ging es nun um Luise Hensel, die unter anderem das Nachtgebet "Müde bin ich, geh zur Ruh'" geschrieben hat. Ich kenne das Nachtgebet, zumindest in ähnlichem Wortlaut.

Von dort ging es Richtung Dom, aber nicht in den Dom. Stattdessen versammelten wir uns um die Gedenktafel von "Wege gegen das Vergessen". Die Tafel gedenkt den queeren Menschen während des Dritten Reichs.

1933 1945 Wege gegen des Vergessens Aachen Nach einer Zeit der Verbesserung der Lebensumstände queeres Menschen während der Weimarer Republik nahm in der NS-Zeit deren Verfolgung stark zu. Sie wurden ausgegrenzt, denunziert, verfolgt, geschunden, deportiert und ermordet. Queeres Leben war nur im Verborgenen möglich.
1933 1945 Wege gegen des Vergessens Aachen Nach einer Zeit der Verbesserung der Lebensumstände queeres Menschen während der Weimarer Republik nahm in der NS-Zeit deren Verfolgung stark zu. Sie wurden ausgegrenzt, denunziert, verfolgt, geschunden, deportiert und ermordet. Queeres Leben war nur im Verborgenen möglich.

Passend zu dieser Stelle las Judith Vogt aus "Anarchie Deco 1930" vor.

Bevor es nun zur letzten Station, dem Literaturcafé Vers ging, spazierten wir noch an der Buchhandlung Backhaus vorbei. Aachen hat, zum Glück, relativ viele kleine Buchhandlungen. Passend dazu wurde das Buch "Die Tochter des Buchhändlers" von der in Aachen lebenden Autorin Sylvie Schenk vorgestellt. In der Klappergasse, quasi unter den Augen der skelettierten Bischhöfe an der Wand, las Judith Vogt uns eine interessante Stelle aus "Schildmaid" vor.

Zum Abschluss ging es dann zum Café Vers, wo eine Skulptur von Walter Hasenclever errichtet wurde. Ein bisschen wie die Lesende sitzt er dort so, dass man sich eingeladen fühlt, sich zu ihm zu gesellen.

Walter Hasenclever sitzt auf der Terrasse des Café Vers und möchte bestimmt etwas schreiben.

Das Café selbst gehört zum Kulturhaus Barockfabrik. Hier ist u. a. das Literaturbüro Euregio Maas-Rhein beheimatet. Im Café findet regelmäßig Veranstaltungen statt, unter anderem ist dort jeden Monat ein offener Autor:innentreff. Vielleicht trau ich mich ja mal hin ...