Ich muss mal was loswerden
Ich muss mal etwas loswerden. Ausschlaggebend für diesen Eintrag ist folgendes:
Gerne schweifen wir in der Berufsschule schonmal vom Thema ab. So auch heute in BWL. Ich beteilige mich bei den ganzen Diskussionen nicht, sondern schweige und genieße. So bin ich bei Diskussionen. Ich kann auch manchmal laut und lebhaft sein. Aber genauso oft habe ich auch meine ruhigen Phasen. Früher war ich immer ruhig. Ich hab mich nie gewagt, im Unterricht dazwischen zu rufen oder Mitschülern Widerworte zu geben oder sie zu provozieren. Ich war ein Kräutchenrührmichnichtan und eine graue Maus. Unscheinbar eben.
Irgendwann, ich kann nicht mehr genau die Zeit sagen, hat sich das aber geändert. Wahrscheinlich zu der Zeit, als ich das erste Mal in der Klinik war. Das ist jetzt über 10 Jahre her.
Während die Klasse also heute über etwas diskutierte, was so gar nichts mit Rechtsgeschäften und Willenserklärung zu tun hat, zückte ich mein iPhone und postete etwas auf Facebook. Nämlich, worüber wir gerade in BWL reden und dass dieses Thema nichts mit dem Fach zu tun hat. Ich teile mich nunmal gerne mit. Besonders bei so teilweise amüsanten Sachen, wie ich sie in der Berufsschule oft erlebe. Oft sitze ich nur da und mache gedanklich ein Facepalm.
Natürlich haben das einige Mitschülerinnen, mit denen ich herzlich wenig am Hut habe (andere Interessen, anderes Niveau etc. Ihr kennt das sicher), gelesen und sich lautstark darüber aufgeregt. Von wegen jeden Pups im Internet schreiben, kindisch, “und das mit über 20” etc. Das ganze hat eine hitzige Diskussion unter diesem Posting ausgelöst. Die Mitschülerin, die sich am lautstarksten darüber aufregte, schrieb sowas wie “ADS lässt grüßen” und dass ich in meiner Cyberwelt lebe und mal aufwachen und erwachsen werden soll (und dann noch Sachen wie, ich soll nicht so auf cool tun und ich hätte das ja auch ins Gesicht sagen können etc. – ja, hätte ich. Aber in dem Moment war’s mir einfach egal).
Das brachte mich auf die Frage, wieso ich kindisch bin, wenn ich mich gerne und häufig im Internet aufhalte und mich auch gerne mitteile. Zu dem ADS kann ich nur eins sagen: das habe ich definitiv nicht. Ich wollte ihr das jetzt nicht so sagen, aber ich war bei vielen Psychologen in meiner Jugend- und Kinderzeit, die das zumindest nicht diagnostiziert haben. Sondern viel mehr, vor 10 Jahren, Ängste und eine soziale Phobie. Zumindest letzteres ist weggegangen. Mit dem ersteren Problem muss ich leben. Das kann ich auch offen sagen.
Als Teenager habe ich das Internet für mich entdeckt. Ich gebe zu, ich war lange Zeit viel zu viel online. Ich habe mich halt versteckt, weil es mir nicht gut ging. Aber ich bin auch mit Computern groß geworden und habe als Grundschulkind gerne Computerspiele gespielt. Als ich mit 12 Jahren schließlich in meinem Zimmer Internet bekam und später krank wurde, war das Internet eben mein Zufluchtsort.
Ich finde nichts verwerflich daran, aktiv im Internet zu sein. Im Gegenteil. Das Internet finde ich total spannend. Man kann kommunizieren, ist immer auf dem aktuellen Stand und dass man sich mitteilen kann – nunja, das mag nicht jedermanns Sache sein und es wird bestimmt kaum jemand aus der Berufsschule verstehen, was ich am Bloggen und Twittern so toll finde. Ich lass die Mädels ja auch ihre Ruhe, wenn sie sich im Unterricht schminken. Klar rege ich mich darüber auf, weil ich’s einfach unangebracht finde. Aber ich lasse sie damit in Ruhe.
Wie seht ihr das? Ist man direkt kindisch oder nicht erwachsen, wenn man das Internet als Kommunikations- und Mitteilungsplattform nutzt oder generell viel damit zu tun hat? Die Mitschülerin hat nun das Bild von der kleinen Verena, die in ihrer Cyberwelt lebt. Aber so ist es nicht. Ich bin viel unterwegs, gehe meinen Hobbys nach. Ich teile mich aber auch gerne im Internet mit. Das mag für manche Personen nach ADS klingen. Außerdem sollte man sowieso mit solchen Begriffen vorsichtig umgehen. Ich sag ja auch nicht zu einer Person, die häufig traurig ist “Depressionen lassen grüßen”. Mit solchen Sachen sollte man nicht so leichtfertig umgehen. Genauso mag ich es nicht, wenn jemand statt “Psychiatrie” “Klapse” sagt. Für mich persönlich klingt “Klapse” nach einer Beleidigung und nur diejenigen, die schonmal die Erfahrung gemacht haben, dürfen, finde ich, diesen abwertenden Ausdruck benutzen. Obwohl psychische Krankheiten in der heutigen Zeit keine Seltenheit mehr sind, stößt man trotzdem immer wieder auf Unverständnis und Spott.
Ja, ich bin gerne im Internet. Ja, ich teile mich gerne mit. Und ja, vielleicht etwas zu oft. Aber ich habe dennoch auch ein “richtiges” Leben außerhalb des Internets. Wenn manche dafür kein Verständnis haben, ist mir das egal. Ich hab auch kein Verständnis dafür, dass manche sich im Unterricht schminken. Punkt.
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