Mein Problem mit Freundschaften
I’m better off on my own
Ich war nie jemand mit vielen Freunden. Ich scharrte nie alle um mich herum, hatte nichts an mir, was andere anzog.
Vielmehr war ich immer die, die kaum jemanden um sich herum hatte. Ich war die, über die man lachte. Egal, ob Grundschule, Gymnasium, Realschule – oder in der Klinik.
An das meiste erinnere ich mich kaum noch. Ich weiß, dass ich im Kindergarten manchmal bei anderen zum Spielen war oder auf einem Geburtstag. Aber wehe, meine Mutter holte mich nicht pünktlich ab. Dann weinte ich.
Überhaupt war ich nicht gerne woanders. Auch bei meinen Großeltern konnte ich nicht schlafen.
Das erste Mal auf Klassenfahrt sollte es in der 5. Klasse gehen. Ich war gerade 11 geworden. Es war Anfang Dezember 1996. In der Klasse waren ein paar nette Mädchen. Getroffen habe ich mich auch ab und zu mit denen.
Nun fand also diese Klassenfahrt statt. Eine Schulwoche ohne Eltern. Mit dem Bus ging es nach Rollesbroich. Das Gymnasium hatte dort ein Schullandheim. Der Ort ist nicht weit entfernt von Aachen.
Für die einen verspricht so eine Fahrt viel Spaß. Für mich war es ein Alptraum. Nicht wegen der Leute. Auch die Lehrer waren nett.
Es lag an mir. Ich hatte schreckliches Heimweh.
Nach vielen Tränen und Telefonaten holten meine Eltern mich ab. Die restliche Woche musste ich in eine Parallelklasse.
So lief es dann im darauf folgenden Schuljahr auch ab. In der 7. Klasse fuhr ich schließlich erst gar nicht mit.
In einem gewissen Alter kann man ja noch Verständnis haben. Aber irgendwann wird man “erwachsen” und nabelt sich von seinen Eltern ab.
Mit über 10 Jahren noch dauernd weinen? Kein Wunder, dass ich kaum jemanden hatte. Außer X Alle anderen machten sich über sie lustig, weil sie die Klassenbeste war. Manchmal trag ich mich auch mit Y. Y und X mochten sich nicht sehr.
Irgendwie waren es immer X und ich. Wir saßen im Unterricht neben einander. In den Pausen waren wir oft bei ihrer Schwester. Mein Bruder fand es nie toll, wenn ich in der Pause zu ihm ging. Dabei hätte ich ihn sicher brauchen können, als ich mit 14 Jahren die psychischen Probleme bekam. Aber ich wusste ja selber nicht, was mit mir los war. Wie sollte mir da mein vier Jahre älterer Bruder helfen können?
X war die einzige, die mir mehr oder weniger half, für mich da war.
Was machen 14jährige Mädchen eigentlich? Ich weiß es nicht. X war sie so wie der Rest. Sie war ehrgeizig, selbstbewusst und für ihr Alter sehr reif und gewissenhaft. Davon ist damals kleider nie etwas auf mich abgefärbt.
Ich war hingegen die kleine graue Maus. Schüchtern, ängstlich, scheu.
X und ich trafen uns bei mir, wir quatschten, machten Crêpes zusammen.
Als ich schließlich wusste, dass ich die 9. Klasse wiederholen muss, war das wie ein Schlag ins Gesicht für mich. Ich konnte mir ein Unterricht ohne X nicht vorstellen. Dass ich schließlich zur Realschule wechseln musste, machte es noch schlimmer.
Ich war gerade erst ein paar Wochen aus der Tagesklinik raus. Meine neuen Mitschüler waren anders, als meine vorherigen. Frecher. Null-Bock-Schüler. Mehr oder weniger.
Zum ersten Mal erfuhr ich von Schuhen, die gerade in waren: Besonders gerne von “Gabba/Gabbern” getragen wurden die Nike Air Max. Überhaupt lernte ich viele neue Sachen. Zum Beispiel hatte ich von der Musikrichtung Hardcore nie etwas gehört. Zumindest stand schon 2001 für mich fest, dass das absolut nicht mein Ding ist.
In der Schule schloss ich Freundschaften, wurde gemobbt, spielte beim Musical mit, fuhr mit dem Musical-Kurs zur Landesmusikakademie in Heek (zweimal) und einen Tag nach Berlin. Ich erlitt einen Rückschlag.
In all den Jahren blieben X und ich befreundet. Trotz allem.
Aber ich glaube, es war nie leicht mit mir. Auch heute nicht.
Ich sagte Treffen ab, weil meine Angst stärker war. Soziale Phobie, Angststörungen. Sie brach den Kontakt ab.
Wir hatten doch so viel gemacht. Ich war auf ihrer Konfirmation gewesen, sie kannte meine Eigenheiten, wusste sogar, für wen ich schwärmte.
Freundschaften kamen und gingen mit den Schulen, die ich besuchte. Sie kamen und gingen ebenfalls mit den Beziehungen.
Einmal dachte ich, ich hätte endlich den Freundeskreis gefunden. Ich war 20, hatte einen Freund und wir trafen uns oft mit seinen Leuten. Filme schauen, Cocktails trinken. All sowas.
Doch mit dem Ende der Beziehung verlor ich auch diesen “Freundeskreis”. Ich hatte eigenetlich niemanden mehr. X war mit dem Abi fertig und studierte nun. Also verbrachte ich meine Nachmittage, Abende und Wochenenden alleine in meinem Zimmer.
Ich war einsam und weinte viel.
Mit der Zeit gewöhnt man sich daran.
Jetzt, mit Ende 20, weiß ich nicht, ob ich nicht vielleicht etwas verpasst habe. Partynächte, Besäufnisse? Aber das sind keine wichtigen Dinge. Ich muss sie nicht erleben.
Natürlich möchte ich abends gerne mal etwas unternehmen und langweile mich. Ich könnte Leute fragen. Es ist nicht so, als würde ich niemanden kennen.
Aber ich traue mich nicht. Zu groß ist die Angst vor Zurückweisung. Ich habe Angst, dass man mich nicht mag, dass ich mit meiner Art nerve.
Ich könnte X schreiben. Letztes Früjahr habe ich sie zufällig im Eiscafé getroffen. Ich traue mich aber nicht, ihr eine Mail zu schreiben, weil ich mich so lange nicht mehr gemeldet habe, Wir sind in unserem Leben so unterschiedliche Wege gegangen.
Ich könnte Menschen fragen, um mit ihnen zu fotografieren.
Ich könnte so vieles, wenn da nicht diese Angst wäre.
© Fotos liegt bei mir
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